Christoph (25) und Philipp (23) Schäfer sind beide leidenschaftliche Bergretter. Im Sommer führt Christoph den Waldseilgarten in Damüls und Philipp ist selbstständig als Fotograf unterwegs. Den Winter über arbeiten sie im Sportgeschäft der Familie, im Skiservice und Verkauf. Im Interview geben sie uns einen Einblick in ihre Welt als ehrenamtliche alpine Lebensretter in Damüls. Die Brüder erzählen von spannenden Einsätzen und sprechen über die Bedeutung der Gemeinschaft sowie die Vorbereitung auf Notfälle.
Christoph: Als wir noch klein waren, hat unser Vater uns mit seiner eigenen Leidenschaft für die Bergrettung begeistert. Er war bei der Alpinpolizei und Flugretter. Schon als Kinder fanden wir den gelben Rettungshubschrauber faszinierend. Später haben wir uns der Jugendbergrettung angeschlossen und dann den Ausbildungskurs zum Bergretter sowie den Rettungssanitäter gemacht. Ich bin zusätzlich noch Notfallsanitäter beim Roten Kreuz und Philipp ist bei der Feuerwehr. Bei uns ist man bei jeglicher Art von Unfällen gut aufgehoben.
Philipp: Nach der Jugendbergrettung konnten wir mit 16 Jahren den Anwärterkurs absolvieren. Er beinhaltete drei technische Kurse mit Theorie und Praxis – Winter, Sommer und Eis. In diesen Kursen erwarben wir Fähigkeiten im Bereich Skitouren, lernten Schneesituationen einzuschätzen, wurden in Lawineneinsätzen geschult und perfektionierten Kletter- sowie Seiltechniken. Hinzu kamen medizinische Ausbildungen, wie ein 16-stündiger Erste-Hilfe-Kurs und ein alpinmedizinischer Grundkurs.
Christoph: Die Ausbildungen erstreckten sich über ein Wochenende und fanden in verschiedenen Gebieten im alpinen Gelände statt. Danach ist man laut Landesregelung Bergretter:in und kann sich weiterbilden. Fast jede Gemeinde, die alpiner gelegen ist, hat eine eigene Ortsstelle, die einsatztaktisch ein gewisses Gebiet umfasst. Wir sind in ganz Damüls und etwas hoch in Richtung Furkapass im Einsatz.
Christoph: Ja, wir sind beide Alpinausbilder und bilden mittlerweile selbst Bergretter:innen aus. Ich bin Vizeobmann und Gerätewart und Philipp ist Schriftführer. Insgesamt sind wir ein Team von rund 19 Bergretter:innen. Einige sind schon über 50 Jahre alt und haben in den Passivstand gewechselt. Das bedeutet, sie müssen keine Fortbildungen mehr absolvieren. Dieses Jahr sind acht Jugendliche bei unserer Jugendbergrettung dabei. Sie treffen sich, wie wir, einmal im Monat und üben medizinische Verfahren, Klettern, Kartenkunde oder gehen zusammen mit den Ausbilder:innen in die Berge.
Philipp: Für aktive Mitglieder gibt es bei der Bergrettung eine Weiterbildungspflicht, um immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Aber auch unsere älteren Mitglieder sind noch tätig – unser Führender in der Einsatzstatistik ist 60 Jahre alt. Wir haben auch einen Flugretter im Team, er fliegt im Hubschrauber als Unterstützung für den Piloten und Arzt mit. Wir sind eine super ausgebildete und motivierte Truppe, in der alle mit Herzblut dabei sind.
Philipp: Wir sind immer im Dienst, sobald der Pager aktiviert wird. Abhängig von der Situation entscheiden wir dann, ob die gesamte Einsatztruppe ausrücken muss. Aber nicht nur Bergrettungseinsätze gehören zu unserem Aufgabenbereich, sondern auch Rettungseinsätze im Auftrag des Roten Kreuzes. Dieses Pilotprojekt wurde vor über 30 Jahren in Damüls eingeführt. Bei medizinischen Notfällen fungieren wir als „First Responder“ und sind die Ersten am Einsatzort, um Hilfe zu leisten, bis die Rettungskräfte aus Au bei uns eintreffen.
Christoph: Wir haben immer das gesamte Notfallequipment im Auto dabei – Defibrillator, Medikamente, Seile, Karabiner, usw. Falls sich jemand auf einem Wanderweg verletzt und der Hubschrauber nicht landen kann, laufen wir mit speziellen Tragen hinunter und transportieren die Person hoch. Unsere Einsätze reichen von Schnittverletzungen oder Kinder mit Fieber bis zum Herzinfarkt mit Reanimation. Dies betrifft sowohl Einheimische als auch Touristen. Uns ist es einfach wichtig, dass immer jemand da ist, der schnell Hilfe leisten kann.
Philipp: Die Berge sind von Natur aus unvorhersehbar, das Wetter kann sich jederzeit ändern. Bei Lawineneinsätzen müssen wir uns gut abstimmen und koordinieren, die können mitunter auch bis zu acht Stunden und länger dauern. Auch unerfahrene Wandernde oder Skifahrer:innen, die sich überschätzen, führen zu Einsätzen. Um diese zu vermeiden, sind die richtige Ausrüstung und Vorbereitung unerlässlich.
Christoph: Gerade Lawinen können leider nie ausgeschlossen werden. Dies sind dann auch die größten Einsätze, bei denen bis zu 100 Bergretter:innen aus verschiedenen Ortsstellen zusammenarbeiten. In den letzten Jahren war es aber ruhig, wir mussten zum Glück niemanden aus den Schneemassen bergen. Das ist schon vorgekommen, auch der Tod gehört zu unserer Arbeit dazu. Man lernt mit diesen Situationen umzugehen, dafür können wir Expert:innen hinzuziehen oder im Team darüber sprechen. Wenn jemand stirbt, ist das immer ein komisches Gefühl, eine gewisse Distanz müssen wir deshalb bewahren. Aber die Menschlichkeit darf nicht verloren gehen, gerade im Umgang mit Angehörigen.
Christoph: Das ist unterschiedlich, aber normalerweise bis zu 60 Einsätze im Jahr. Wobei die meisten davon das Rote Kreuz betreffen. Mit der Bergrettung mussten wir letztes Jahr ca. 15 Mal ausrücken. Das sind dann meistens größere Einsätze. Im Winter kümmert sich die Pistenrettung innerhalb der Betriebszeiten um Ski- oder Snowboardunfälle. Im Sommer hingegen bergen wir alle Verletzten.
Philipp: Ja, bei Rettungseinsätzen kann das zu jeder Tages- und Nachtzeit passieren. Bei der Bergrettung klingelt er aber meist tagsüber, wenn die Menschen unterwegs sind. (Philipp schmunzelt) Wir wurden aber auch schon gerufen, wenn der Ehemann verschwunden ist und wir ihn dann beim Bier trinken in einer Bar oder bei sonst jemandem wieder gefunden haben. Alles schon dagewesen, da sollte man möglichst nicht lachen, das gehört halt einfach dazu.
Christoph: Der Zusammenhalt, der sich in unserem Team entwickelt hat, ist unvergleichlich. Es ist wie in einer großen Familie. Wenn wir jemanden von der Bergrettung auf der Skipiste treffen, gehen wir gemeinsam etwas trinken oder wenn jemand bei uns ein Haus baut, steht am Sonntag die ganze Mannschaft zum Schindeln vor der Tür. Der Gedanke, anderen zu helfen, ist unsere Hauptmotivation.
Philipp: Wir fühlen uns in der Bergrettung als Teil einer engen Gemeinschaft. Die Kameradschaft und das Gefühl, gebraucht zu werden, stehen hier im Vordergrund. Wir sind alle gerne in den Bergen unterwegs und lernen viel über den Umgang mit Stress und gefährlichen Situationen, was auch für das eigene Leben wertvolle Erfahrungen sind.
Christoph: Wir unternehmen nicht nur Rettungseinsätze gemeinsam, sondern auch Heimabende, Ausflüge und Touren. Diese dienen nicht nur der Fortbildung, sondern stärken auch unseren Teamgeist. Von Städtereisen mit unseren Partner:innen bis zu Expeditionen nach Südafrika auf den Kilimandscharo oder ins Himalaya Gebirge, haben wir alles schon gemacht. Letztes Jahr waren wir mit der Bergrettung in der Schweiz auf einem 4.000er – das sind einfach Erinnerungen fürs Leben.