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TRADITIONSBROT AUS FONTANELLA

Der letzte Bäcker

Seit 1977 gibt es die Obergrechter Bäckerei in Fontanella. Meisterbäcker Oliver Konzett führt mit Frau Conny das Geschäft in zweiter Generation und fährt täglich frisches Brot zu Tourismus- und Gastronomiebetrieben – von St. Gerold bis nach Damüls. Vor über 30 Jahren lieferte D‘ Obergrechter Bäck das erste Mal Brot über den Pass. Seither hat sich vieles verändert, ein Fluch und Segen für den mittlerweile einzigen Bäcker in der Region.

Fontanella ist das höchstgelegenste Gebirgsdorf im Tal und als Sonnenbalkon des Großen Walsertals bekannt. Direkt am Ortseingang findet sich der geschichtsträchtige Obergrechter Bäck. Wie es zu diesem außergewöhnlichen Namen kam? Früher waren alle Walsergebiete in Gerichte aufgeteilt. Die Walser:innen mussten keinen Kriegsdienst leisten, sondern haben die Wälder und Wiesen bewirtschaftet. Sie hatten ihre eigene Gerichtsbarkeit. „Es gab ein Gericht in Sonntag – das untere und eines hier in Fontanella – das obere. Mein Vater hat danach die Bäckerei benannt“, erklärt Oliver. Im Elternhaus stand er schon als Kind in der Backstube seines Vaters, der die Bäckerei gründete.Als er die Handelsakademie in Bregenz und Bludenz besuchte, fragte Herwig ihn, ob er Interesse habe, den Betrieb weiterzuführen. „Warum eigentlich nicht?“, dachte sich Oliver, der schon als Jugendlicher im Betrieb mithelfen musste, um sein Fahrrad abzuverdienen. Nach der Matura und dem Bundesheer fing er seine Bäckerlehre in Lech an und schloss sie in Feldkirch mit der Gesellenprüfung ab. 2001 stieg er in den elterlichen Betrieb ein, ging nach einer Auszeit in Luzern zur Meisterschule nach Wels und nahm 2011 alle Zügel in die Hand.

Alles änderte sich

Seither ist kein Stein mehr auf dem anderen geblieben. Beschränkte sich das Liefergebiet damals noch auf das Große Walsertal, wird heute an sieben Tagen die Woche zu Hotels und Gastronomie- betrieben bis nach Damüls geliefert. „Mein Vater musste früher noch von Haus zu Haus, stellte sich vor und fragte, ob er liefern dürfe. Heute ist das alles anders“, erzählt der einzige Bäcker im Tal. Im Frühling 1991, fuhr er erstmals nach Damüls. „Wir spulen in der Hauptsaison jeden Tag rund 80 Kilometer ab und verteilen mit zwei Transportern unser Brot“, erzählt Oliver, der zu Saisonzeiten täglich in der Backstube steht.

Die meiste Arbeit gibt es in den Urlaubszeiten, wenn auch die eigenen Kinder Ferien haben. Dann fängt der Tag für den Bäcker im Durchschnitt um ein Uhr früh an. „Wir backen dann die Brote, meine Frau kommt um vier Uhr dazu, teilt sie nach Bestellungen auf und bis um halb sieben muss das Brot dann ausgeliefert sein“, erklärt der Walser. In der Backstube wird danach weiter für den nächsten Tag produziert. „Mittags lege ich mich ein, zwei Stunden hin und gehe dann mit dem Hund laufen. Das ist mir wichtig, um rauszukommen, bevor es am Abend mit der Planung und den Brotbestellungen wieder losgeht“, betont Oliver.

Jeden Tag kommen neue Bestellungen rein, dabei wird zumeist per Telefon, E-Mail, aber auch noch per Fax angefragt. „Man kann es kaum glauben, aber das ist der schnellste Weg. Nicht jede:r sitzt ständig am Computer, sondern viele schreiben ihre Brote auf einen Zettel, drücken auf die Wahlwiederholung und weg ist die Bestellung“, schmunzelt der Chef, dem als Erster und Letzter im Betrieb schlichtweg auch die Zeit für eine digitale Umstellung fehle.

Brotbacken ist ein Prozess

Im Saisongeschäft beliefert der Obergrechter Bäck aus Fontanella über 80 Kund:innen und fährt zu Spitzenzeiten rund 3.000 Semmel und Kornbrötchen aus. „Wir backen täglich frisch, aber den Teig müssen wir vorproduzieren“, gibt Oliver preis und erklärt: „Es ist ein Trugschluss, den viele vom Traumberuf Bäcker:in haben. Bei diesen Mengen ist das Brotbacken ein komplexer Vorgang, der Hand in Hand gehen muss. Viele Sorten müssen im gleichen Moment backfertig sein, damit wir unsere zwei Öfen effizient nutzen können.“ Immer im Hinterkopf, dass die Brote um vier Uhr früh fertig sein sollten. Denn dann werden sie in Säckchen pro Kund:in abgepackt, die Bestellungen in Kisten einsortiert und das Auto systematisch so beladen, wie auch ausgeliefert wird.

In letzter Zeit musste das Sortiment aufgrund von Personalmangel stark reduziert werden. Viele Klassiker hat Oliver vom Vater übernommen, aber auch neue Ideen entwickelt. „Unsere Kund:innen wissen, was sie wollen, und das kriegen sie in guter, gleichbleibender Qualität“, betont der leidenschaftliche Bäcker. Sein Paradeprodukt ist das „Bauernpärle“, wie man im Volksmund sagt. Ein Brot, das oft für den allseits bekannten „Leberkäsesemmel“ in Vorarlberg verwendet wird.

„Die Winzer:innen trinken ihren Wein ja auch selbst. Wie sie, sehe ich jeden Tag ein Ergebnis, das ist aufreibend, aber auch zufriedenstellend.“

Sein Brot hat ein Gesicht

Trotz der Herausforderungen hat er sich für den Familienbetrieb entschieden. „Wir haben den Rückhalt aus der Bevölkerung und die Tourismusbetriebe sind froh, dass wir als lokale Bäckerei das Brot liefern“, sagt der Geschäftsführer. Etwas Eigenes herzustellen, das wissen wir nicht erst seit dem Corona-Brotbackhype, sei einfach befriedigend. „Eine kreative Arbeit, die zudem einen Nutzen hat“, findet Oliver. „Und wie die eigenen Kinder die schönsten sind, schmeckt auch das eigene Brot am besten“, ergänzt er und betont: „Die Winzer:innen trinken ihren Wein ja auch selbst. Wie sie, sehe ich jeden Tag ein Ergebnis, das ist aufreibend, aber auch zufriedenstellend.“

Außerdem schmecke dasselbe Produkt bei keinem gleich. „Weil die Geschichte drumherum passen muss. Unser Brot hat seit Jahrzehnten ein Gesicht, man weiß wer dahintersteht“, sagt Oliver. Auf die Balance komme es ihm an, sonst müsse man aufhören, meint er. „Die Vorteile überwiegen und auch wenn es manchmal dunkel ist, darf man das Licht am Ende des Tunnels niemals aus den Augen verlieren“, betont er. Ihn hat das Geschäft und Leben in Fontanella vieles gelehrt. „Besonders, dass wir nicht wegziehen müssen, um es besser zu haben. Es ist nur anders, aber besser ist es auf der ganzen Welt nicht. Das schätzt man erst, wenn man einmal weg war“, bekräftigt der Bäcker und meint abschließend: „Bei uns kannst du das Wasser noch aus dem Hahn trinken. Die Haustür darf ich vergessen zuzusperren. Meine Kinder kann ich draußen rumlaufen lassen und ihnen einen echten Salamander, ein Reh oder eine Gams zeigen. Schön, dass wir hier wohnen und arbeiten dürfen.“