Vielleicht liegt es am Alter, denn jemand wie Christian Lingenhöle hat viel zu erzählen. Sein Leben hat er dem Wintersport verschrieben. Ihm ist zu verdanken, was das Skimuseum in Damüls heute ist: Eine vom internationalen Skiverband, der FIS, ausgezeichnete Ausstellung. Mit einer einzigartigen Sammlung, die dem Vorarlberger Skilauf, seinen Pionieren und der Geschichte huldigt.
Christian Lingenhöle stand als Dreijähriger zum ersten Mal auf den Ski und kommt auch als Pensionist noch auf über 70 Skitage im Jahr. Neben Skigebieten wie Livigno in der Lombardei oder dem Arlberg, fährt er die meiste Zeit in Damüls. An seinem Lieblingsort, wo seine Eltern 1950 das erste Ferienhaus und einen Skilift gebaut haben. Fast jedes Wochenende und die Ferien verbrachte der junge Lingenhöle im schneesicheren Bergdorf zwischen dem Bregenzerwald und dem Großen Walsertal. „Um mein Heimweh nach dem Skifahren zu mildern, habe ich immer einen Schneeball aus Damüls nach Bregenz mitgenommen und im Kühlschrank aufbewahrt", muss der ehemalige Skilehrer über sich schmunzeln.
Die Liebe zum Schnee ließ den Sportler ein Leben lang nicht los. 41 Jahre führte er als jüngster Kaufmann Österreichs in Bregenz ein Sportartikelgeschäft, wo die Jagd nach seinen Schätzen begann. In erster Linie als Dekoration für den Shop, später für die umfangreiche Ausstellung in Damüls. Wie er zu den kostbaren Ausstellungsstücken kam? „Von irgendwo hörte ich, dass es in Au einen ‚Kanisski‘ gegeben hat. Dann fuhr ich dahin und fragte bei Verwandten des ehemaligen Betriebs nach. Bei einem Bekannten sah ich das Logo mit der Kanisfluh als Abziehbildchen in einem alten Schulheft, so kam der Ball ins Rollen“, erzählt der Sammler. So eine Suche kann mitunter lange dauern, fünf Jahre brauchte er zum Beispiel, nur um diesen begehrten Ski zu finden. 2011 bot sich der ehemalige Pfarrhof unterhalb der Damülser Kirche dann als neuer Ausstellungsort für seine Sammlung an. Zwei Jahre Zeit, um noch intensiver zu sammeln, bevor das Skimuseum offiziell eröffnet wurde. Viele Ausstellungsstücke wurden ihm geschenkt, geliehen oder verkauft. Das Archiv wurde so groß, dass er mit der Sanierung des Gebäudes im Keller ein weiteres Depot bekam. Oben im ersten Stockwerk des historischen Holzhauses konzentriert sich seine Ausstellung auf drei Schwerpunkte: Die Pioniere, das Material und den Rennlauf.
Hier, in Christians Welt, beginnt der erste Teil der Ausstellung mit Geschichten über drei Vorarlberger Skipioniere: Viktor Sohm, Hannes Schneider und Oberst Bilgeri. „Sie haben maßgeblich zur Entwicklung des Skisports und Tourismus im Land beigetragen“, betont der Kenner. Einer davon war Viktor Sohm, der 1887 als erster Skiläufer der österreichisch ungarischen Monarchie mit norwegischer Ausrüstung am Gebhardsberg, oberhalb von Bregenz, gefahren ist.
Als Skikursleiter 1906 in Zürs war er außerdem Lehrer eines weiteren Pioniers: Hannes Schneider aus Stuben am Arlberg. Er wirkte in über 20 Filmen mit, unter anderem in „Der weiße Rausch“ und wurde durch seinen eigenen Schwung bekannt: die Arlberg-Technik. „Ein Stemmbogen in tiefer Hocke, der die Kurve schneller einleitet und mit dem man sicherer fahren kann“, erklärt Christian. Als Kritiker des Nazi-Regimes emigrierte Schneider im zweiten Weltkrieg nach Amerika und baute dort eine große Skischule, die heute noch sein Urenkel führt.
Der dritte Pionier im Bunde war Oberst Bilgeri. Wie Sohm ebenfalls Bregenzer, hat dieser Soldaten ausgebildet und die Bilgeri-Bindung auf den Markt gebracht. Er verhalf der Zweistocktechnik und der Skigymnastik zum Durchbruch, entwickelte Skiwachse und funktionale Skiausrüstung aus Kammgarnwolle und Seideninnenfutter. „Auch die Frauen liebten den Oberst“, scherzt der Museumsleiter. Im Hutgeschäft seiner Schwester stieg regelmäßig der Umsatz, wenn er sich zur Übernachtung in ihrem Haus ankündigte. „Als er starb, hieß es, er solle als Lediger eine weiße Schleife ans Kreuz bekommen. Bekannte intervenierten und es ist eine graue geworden“, weiß Christian aus sicherer Quelle.
DAS MATERIAL
Einen Raum weiter verbirgt sich alles, was sich in Sachen Material getan hat: Von Christians Kinderski aus Holz über Vaters zwei Meter lange Slalomski bis hin zu modernsten Carvingski. „Zu Beginn sind die Skandinavier drei Meter lange Ski gefahren, oder besser gesagt gelaufen. Denn die wurden vor allem zur Jagd verwendet“, erzählt der Experte. In den 70er Jahren stieg man dann auf kurze Ski um. „Damit konnte man mit wenig Kraftaufwand um die Kurve, aber auch über seine Verhältnisse fahren. Es kam zu vielen Unfällen“, meint Christian weiter. 1992 brachte die Firma Kneissl dann den taillierten Ski raus: Vorn und hinten breit und in der Mitte schlank. „Damit lässt sich der Schwung einfacher einleiten und ruhiger fahren, so wie wir es heute kennen“, erklärt er.
Der größte Sprung in der Skigeschichte war allerdings der Umstieg von Holz- auf Metallski, den Howard Head Anfang der 50er Jahre einführte. „Kästle musste damals noch für jeden Metallski, der aus Hohenems rausging, fünf Dollar an den Amerikaner bezahlen“, weiß der Sammler. Danach kam der Kunststoffski, der erste von Kästle in den 60er Jahren kostete bereits stolze 500 Euro. In den letzten 20 Jahren, meint Christian, habe sich nicht mehr so viel getan. Das sehe man auch an den Rennskiern der Profis wie Marcel Hirscher, Axel Lund Svindal, Anna Veith oder Felix Neureuther, die als Erinnerung an ihre Erfolge im Museum stehen.
So wie einen Raum weiter außergewöhnliche Ausstellungsstücke von insgesamt dreizehn Wagnermeistern stehen, die ab 1920 in Vorarlberg Skier und Zubehör produzierten. Das Auto kam auf den Markt und die damaligen Hersteller von Postkutschen sowie Fuhrwerks- und Leiterwagen sahen sich gezwungen ihre Produktion auf Skier umzustellen. Damals gab es Dorner-Ski aus Egg, Meusburger-Ski aus Bezau, Frei-Ski aus Nüziders oder Einsle-Ski aus Bregenz. Übriggeblieben ist heute nur noch der bekannteste Wagnerbetrieb – Kästle aus Hohenems, mit dem damals berühmten Arlberg-Ski.
Der dritte Schwerpunkt des Skimuseums zeigt historische Exponate ehemaliger Vorarlberger Rennläufer:innen, die eine Medaille bei Olympia oder Weltmeisterschaften holen konnten.
Auch Lieblingsstücke von Lingenhöle, die einen emotionalen Wert für den Museumleiter haben. Zum einen die Startnummer fünf von Trude Jochum-Beiser, die als erste Vorarlbergerin eine Goldmedaille bei den olympischen Winterspielen 1952 in Oslo gewann. Zum anderen die Medaillen der Weltmeisterschaft von Heidi Zimmermann-Strasser und Werner Bleiner sowie der erste Sprungski von Toni Innauer, der eigentlich gar keiner war.
Als Innauer zwölf Jahre alt war, wurde er für ein Skirennen nicht nominiert. Aus Trotz montierte er eine Sprungbindung auf einen Alpinski und trainierte damit hinter seinem Haus. Im selben Winter sprang er damit bei den Landesmeisterschaften im Skispringen am Pfänder zum Schanzenrekord. „Bei den österreichischen Meisterschaften sagte man ihm, er solle den Ski wechseln, damit sie sich nicht schämen müssen. Er sagte, entweder komme ich mit diesem ki oder gar nicht“, erzählt Christian. Innauer wurde damit Vizemeister und später als Weltmeister- und Olympiasieger zur Legende. Jeder Erfolg steckt im Detail. Dem würde sicher auch Christian Lingenhöle zustimmen, der zu jedem Ausstellungsstück im Damülser Skimuseum eine spannende Geschichte zu erzählen hat. Dienstags und freitags sowie zu Sonderausstellungen öffnet sein Team mit Pepi, Egon und Reinold die Museumstüren und lädt Interessierte ein, mit ihnen gemeinsam in Erinnerungen zu schwelgen.